Case Story. 17.07.2017
„Schlimm!“ seien die Telefonate damals gewesen, sagt Alexander Holtappels. Er war zu dieser Zeit Berater bei einem mittelständischen Unternehmen, das ein Callcenter beauftragt hatte. „Und die Telefonate waren nicht schlimm, weil sich die Agents dumm angestellt hätten. Sondern weil sie außer einem fünfseitigen Word-Dokument kein ordentliches Briefing bekommen haben. Damit konnten sie die Fragen der Kunden natürlich nicht beantworten.“ Holtappels begann, nach einem System zu suchen, das die Informationsbeschaffung erleichtern sollte. Seine Vision: Ein Kunde ruft an oder kontaktiert das Unternehmen in einem Chat. Der Agent öffnet eine Maske, die ihm die wahrscheinlichsten Fragen und entsprechenden Antworten unterbreitet. Im Chat kann er sinnvolle Textbausteine und benötigte Formulare mit einem Doppelklick übermitteln. Doch Holtappels fand nichts dergleichen. Prompt machten er und ein Kollege sich 2000 als Berater selbstständig. Zur Veranschaulichung für ihre Kunden bauten sie ein kleines Tool – ein Tool, aus dem im Laufe der Jahre SABIO geworden ist.

Wissen aus einer Quelle
Die Software SABIO ist eine zentrale Wissensquelle für Unternehmen ab 20 Mitarbeitern. Von ihr aus fließen redaktionell aufbereitete Informationen optimal abgestimmt in unterschiedliche Kanäle: in Gespräche mit Kunden am Telefon, in Chats und E-Mails, aber auch in Websites, Apps und die Accounts Sozialer Netzwerke. „Wissen aus einer Quelle ziehen zu können spart in vielerlei Hinsicht Prozesskosten und erhöht die Qualität“, sagt Maximilian Thost, gemeinsam mit Holtappels geschäftsführender Gesellschafter und zuständig für Marketing und Vertrieb. Dabei ist SABIO mehr als ein Wiki oder ein SharePoint. Die Software wird in enger Abstimmung mit den Callcenter Agents eingerichtet und über drei Hierarchie Ebenen – Agents, Redakteure und Manager – verwaltet. Das Ergebnis des oft auch mühsamen Einführungsprozesses: Die firmeninterne Informationsflut sprudelt als strukturierte, schnell abrufbare Wissensquelle, die sich ununterbrochen selbst im Hinblick auf maximale Anwenderfreundlichkeit erneuert. Schlimme Telefonate gehören der Vergangenheit an.

Alles wieder auf Null
Unwesentliches loslassen und auf Klarheit setzen – auch SABIO selbst hat diesen Prozess im Laufe seiner Unternehmensgeschichte durchlebt. Damals, mit dem ersten Prototypen im Jahr 2000, erhielt die Software ihre charakteristische Baumstruktur. Aber darüber hinaus begingen Alexander Holtappels und sein Team einen gravierenden Fehler: Sie bauten, was die Kunden wollten. „Das hat mal als kleine, schnuckelige Hütte angefangen. Und dann haben wir lauter komische Sachen reingebaut, die mit der Ursprungsidee nicht mehr viel zu tun hatten.“ Als ihnen das klar wurde, setzten sie fast alles wieder auf Null. Von der dritten auf die vierte Version schließlich wechselten sie die Technologie, um die Software fitter für mehr User zu machen. Denn nun sollten nicht nur Mittelständler, sondern auch große Konzerne wie Telefonica, E.ON oder RWE zu Kunden werden. Außerdem bot SABIO nun per API-Schnittstelle die Möglichkeit, Anwendungen nach Wahl einzubinden. Seitdem muss sich der Agent nicht jeweils in Twitter, Facebook, die Website und die App einloggen, sondern kann von SABIO aus steuern, welches Wissen in welchen Kanal rauscht.

Fokus auf die Lebensqualität der Mitarbeiter
So unterstützend wie die Software für die Nutzer erweist sich auch das Unternehmen für die Mitarbeiter: Als Lebensziel hat sich Holtappels vorgenommen, erfüllende Arbeitsplätze zu schaffen. Nicht umsonst sind bei SABIO zahlreiche hoch qualifizierte Arbeitnehmer tätig, die oft auf Empfehlung kamen. Im Oktober dieses Jahres wird das gesamte Team in eine Art Glaspalast inklusive Dachterrasse mit Blick über Hamburg ziehen, in dem Mitarbeiter auch private Partys feiern dürfen. Der Fokus auf die Lebensqualität zahlt sich aus: „Wir sind der Underdog, intelligent und erfinderisch. Wir können mit wenig Geld richtig viel stemmen.“, bemerkt Thost.

Bei dieser Unternehmensphilosophie war klar, dass Engelhardt Kaupp Kiefer hellhörig wurden, als SABIO 2008 an sie herantrat. Dem gemeinsamen Deal gingen allerdings harte, langwierige Vertragsverhandlungen voraus, denn die Vorstellungen der beiden Parteien deckten sich kaum. „Es war wirklich tough.“, erinnert sich Holtappels. Auch Tobias Engelhardt ist die Verhandlungsphase mit den Hamburgern besonders in Erinnerung geblieben. Im Vergleich zu anderen Portfolio-Unternehmen trat SABIO sehr „hanseatisch-selbstbewusst“ auf. Doch immer wieder schafften es beide Parteien, die manchmal ineinander verkeilten Anwälte auseinanderzuziehen, die Absichten hinter Klauseln zu verstehen und sich auf menschlicher Ebene zu begegnen. Geeinigt haben sie sich schließlich für alle zufriedenstellend. „Da gab es einen guten chemischen Match. Da war ein Gefühl, dass es passt, menschlich und fachlich. Und sie sind sehr schwäbisch und wir sind sehr hanseatisch.“, sagt Holtappels und führt fort: „Die intensive Verhandlungsphase hat dazu geführt, dass viel Vertrauen entstanden ist. Denn wir haben gemerkt, dass wir uns, selbst wenn es nicht läuft, immer über den Inhalt unterhalten können.“ Danach habe es keine Auseinandersetzungen mehr gegeben, „nicht einmal ansatzweise“.
Ein guter chemischer Match

„Häufig haben sie recht mit ihren Fragen“
Seitdem profitiert SABIO von der Erfahrung der Beteiligungsgesellschaft und ihrer „Familie“: Bei den regelmäßigen Treffen konnten die geschäftsführenden Gesellschafter von der persönlichen Atmosphäre und dem Wissen „der Alten und Großen“ viel mitnehmen. Inzwischen sind sie es eher, die ihre Kenntnisse an „die Neuen“ weitergeben. Know-how und Expertise von Engelhardt Kaupp Kiefer sind dabei wertvolle Konstanten ihres Unternehmensalltags geblieben. „Sie sind nicht eingreifend, sondern nehmen die Helikopter-Perspektive ein und machen sich über die strategische Ausrichtung Gedanken.“, bemerkt Holtappels und ergänzt trocken: „Häufig haben sie recht mit ihren Fragen. Schon frustrierend.“ Und genau diese Reflexion ist es, die für SABIO langfristig gesehen den relevanten Teil der Zusammenarbeit mit Tobias Engelhardt und seinem Team ausmacht. „Alexander Holtappels ist der Rennfahrer und wir sind die Leitplanken.“, veranschaulicht dieser die Zusammenarbeit aus seiner Sicht fast schon liebevoll. Ein Unternehmen im Wachstum zu begleiten, ohne dass es zu größeren Reibereien kommt – so hat sich eine der Kernkompetenzen der Beteiligungsgesellschaft wieder einmal als messbar erfolgreich erwiesen: Als sie einstieg, hatte SABIO zwölf Mitarbeiter. Heute sind es 70.

Doch weder SABIO noch Engelhardt Kaupp Kiefer haben vor, sich auf dem Vertrieb in der D-A-CH-Region auszuruhen. Vielmehr machen sie sich derzeit bereit für weltweites Wachstum, mehr Kunden und den Kampf mit internationaler Konkurrenz. E-Learning statt Betreuung vor Ort lautet die neue Devise für SABIO. Begleitung und Finanzierung diejenige für Engelhardt und sein Team. Der gemeinsame Ausblick: Mit der Form der Skalierung, der wachsenden Kundenzahl und der Einbettung in andere Systeme könnte die Software in den nächsten drei Jahren 1.000 Mal so viele Aufrufe haben wie heute. Was wiederum bedeutet, dass Mitarbeiter von Hamburg aus gut ausgebildet mit den Philippinen, Indien oder Kanada telefonieren sollen. Auch Technik, Organisation und Werbemaßnahmen müssen mithalten. Darüber hinaus wird die Software, obwohl schon jetzt vollkommen schlank und geradezu asketisch gehalten, noch einfacher.
Bereit für weltweites Wachstum

SABIO ist jetzt auch online bestellbar
„Wir machen eigentlich mit immer mehr Menschen immer weniger. Dafür machen wir es immer fokussierter.“, sagt Holtappels. Seit zwei Jahren gebe es kaum noch neue Funktionen; die bestehenden verbesserten sich allerdings stetig.
Die ersten Schritte sind bereits getan: Seit kurzem ist SABIO online bestellbar. Mit der Lizenz erhält der Kunde kostenlos einführende Webinare und Dokumente. Die Vermarktung, die Standarddokumente und Videos zur Hilfe sind zu großen Teilen überarbeitet oder neu erstellt und ins Englische übersetzt worden. Alexander Holtappels freut sich auf die neue Herausforderung, SABIO für den Weltmarkt fit zu machen. Um bald erheblich mehr Callcenter-Agents vor „schlimmen“ Telefonaten zu bewahren.