Die Online-Textilreinigung Jonny Fresh säubert mit System. Und zwar nicht das Naheliegendste – Kleidung – sondern die Reinigungsbranche selbst. Mit seiner Back-End-Software sorgt das Start-up dafür, dass Großreinigungen ihre Kundschaft vervielfachen können, ohne auch nur eine einzige weitere Filiale eröffnen zu müssen. Und das Ganze läuft mittlerweile so sauber, dass es Stadt um Stadt frischer um die Kleidungsstücke der DACH-Region bestellt ist.
Mehrere Anläufe und Rückschläge hat es gebraucht, damit heute – effizient koordiniert – in einem Zeitfenster von sieben bis 22 Uhr, Montag bis Samstag, quer durch Berlin, München, Wien, Hamburg, Köln, Frankfurt und Hannover – Fahrer unterwegs sein können, die verschmutzte Wäsche bei den Kunden abholen und sie innerhalb von 48 Stunden gereinigt liefern. Stefan Michaelis, kaufmännischer Geschäftsführer, ist stolz: „Wir sind technisch in der Lage, dem Reiniger je Auto einen sauberen Tourenplan zu bieten. Und der schickt basierend auf unseren Informationen seine Mitarbeiter los.“ Bei dem Auftragsmanagement und der Personal- und Tourenplanung bleibt es allerdings nicht, denn Jonny Fresh koordiniert ebenfalls das Rechnungswesen und das Kundenmanagement der Reinigungen.
Und was ist, wenn eine Abholung gebucht wird und der Fahrer an der Tür des Kunden feststellt, dass er für 100 Bettdecken keinen Platz im Wagen hat? Um diese und andere Situationen glatt zu bügeln, arbeitet das junge, internationale Team unermüdlich in einem Loft am Treptower Park in Berlin. Eine der vielen Herausforderungen sei es, eine intelligente Routenplanung in eine Kapazitätsplanung zu integrieren, befindet Michaelis. So soll dann anhand der Eingangsbestellungen das benötigte Volumen berechnet und bei der Routenplanung berücksichtigt werden. Vorgesehen sei außerdem, historische Verkehrsdaten einzubeziehen, denn schließlich brauche man beispielsweise in Berlin Mitte am Montag zwischen sieben und 13 Uhr länger für eine Tour als am Mittwoch zur selben Zeit.
Proaktiv zu reagieren ist für Jonny Fresh überlebenswichtig, denn es bewegen sich viele internationale Player in den großen Städten; darunter ZipJet, die von Rocket Internet gestützt werden. Jedes der konkurrierenden Unternehmen arbeitet mit einem individuellen Modell; manche haben auch, anders als Jonny Fresh, einen eigenen Fuhrpark. „Irgendwann hörst du auf, dich ständig zu vergleichen. Denn vom Prinzip her machen wir alle das gleiche, da brauchen wir uns nichts vormachen“, bemerkt Michaelis gelassen und lässt nonchalant durchblicken, worauf er stattdessen sein Augenmerk setzt: „Wir bauen ja quasi ein Produkt, das es nicht gibt. Und deshalb müssen ganz viele Leute ’rummeckern und anhand der Kritik selektierst du aus, was am wichtigsten ist. Und das wird dann halt gebaut.“
Ebenso unangestrengt entstand damals die Idee der Studienfreunde Sebastian Schmidt und Stefan Michaelis – die Idee einer Art Packstation, zu der die Kunden ihre Kleidung zu jeder Tages- und Nachtzeit verschmutzt bringen und sauber abholen können. Schmidt, der heute der logistische Geschäftsführer von Jonny Fresh ist, hatte seine Diplomarbeit über Textilreinigungsservices geschrieben, während Michaelis bereits unternehmerisch tätig gewesen war. Über ihr Netzwerk trafen sie den Physiker Kay Kagelmann, der die Website programmierte. Sie schrieben einen Businessplan, entwickelten das Modell eines Webshops und einen theoretischen Prototypen der Abholstation. Die Idee fand nicht nur medialen Anklang: Die jungen Gründer erhielten eine Fördersumme, die ein Jahr die Gehälter decken konnte, und sogar die Zusage zur Finanzierung der Abholstation.
Doch so, mussten sie besser spät als nie einsehen, würden sie das eigentliche Problem ihres Wunschkunden nicht lösen können: Immer noch müsste er nach der Arbeit irgendwo saubere Kleidung abholen. Außerdem konnte mit diesem Konzept das Einzugsgebiet der Reinigungsfiliale nicht vergrößert werden und die Investition in die Abholstationen war, gemessen am zu erwartenden Umsatz, zu hoch. Ihre Chance sahen die drei im Digitalen: Sie fingen von vorne an, entwickelten eine Software und stiegen schließlich 2012 ins Tagesgeschäft ein. Bald machten sie erste Gewinne, fanden weitere Gesellschafter und begaben sich auf die Suche nach einem größeren Investor.
Von dieser Suche erzählte Stefan Michaelis eines Tages beiläufig seinem Notar. Der wiederum verwies auf „Engelhardt Kaupp Kiefer“, weil sein Sohn dort arbeitete. Der Pitch, den der Unternehmer umgehend an die Beteiligungsgesellschaft schickte, weckte das Interesse von Tobias Engelhardt – und das nicht nur, weil dessen Mutter einst eine Textilreinigung betrieben hatte. Michaelis vermutet, dass er und sein Team einen ganz bestimmten Typ Mensch suchen, eben weil sie keinen „knallharten Investmentstil“ verfolgen, sondern Wert auf die intensive persönliche Betreuung ausgewählter Unternehmen legen. „Du bist ja im Prinzip verheiratet, in guten und schlechten Zeiten zusammen. Und da muss man auf den Charakter des Gegenübers vertrauen, dass der nicht ’rumzickt, sonst machst du dir dein Geschäft kaputt.“ Aus Sicht von Jonny Fresh war schnell klar: „Das ist ein Fit.“ Und auch wenn Engelhardt Kaupp Kiefer ebenfalls eine Partnerschaft ins Auge fassten, boten sie 2014 keine finanzielle Investition, sondern ihr Know-how an, um erst einmal die komplexe Gesellschafterstruktur des Start-ups zu entwirren. Im – mündlichen – Deal definierten sie gemeinsame Ziele und stimmten einvernehmlich dafür, dass Jonny Fresh europaweit wachsen sollte. Michaelis ist heute dankbar für das ungewöhnliche Vorgehen. Er weiß, dass viele Unternehmen abgewunken und wenige das Kernteam verstanden hätten. Und dass die Beteiligungsgesellschafter den richtigen Riecher hatten, zeigte sich, als Jonny Fresh, erst einmal ohne den erhofften Geldfluss, eine App auf den Markt brachte und nach München expandierte.
Dennoch wurden wichtige Beschlüsse weiterhin schleppend oder überhaupt nicht gefasst – was dem Start-up beinahe zum Verhängnis werden sollte. Die Spannung unter den Gesellschaftern wuchs. „Das Unternehmen war nicht investitionsfähig“, sagt Tobias Engelhardt, der als Neugesellschafter schwierige Verhandlungen auf sich zukommen sah. Der Höhepunkt der Auseinandersetzungen ereignete sich ein paar Tage vor Weihnachten 2015. Kaltes Nieselwetter und das unfreundliche Neonlicht eines Konferenzsaals am Frankfurter Flughafen betonten die genervte Stimmung. Die Altgesellschafter torpedierten das Meeting und wollten dem Deal mit der Beteiligungsgesellschaft nur zustimmen, wenn diese ihnen Anteile abkaufte. „Es fühlte sich wie Erpressung an“, erinnert sich Engelhardt. Nach zähen Verhandlungen aber konnte doch noch eine Einigung erzielt werden. Und zum Kick-off im Mai 2016 erschien sogar Engelhardts 85-jährige Mutter, die wenig Verständnis für die feierlich geköpften Flaschen Champagner am helllichten Tag aufbrachte, sich aber als Fachfrau über diese Investition besonders freute.
Mit der siebenstelligen Finanzspritze konnte das Start-up neue Teams für IT, Vertrieb und Customer-Support aufbauen. Gleichzeitig übernahm es den Münchener Konkurrenten WashNow und mit ihm Johannes Humpert, der heute Gesellschafter und Leiter von Vertrieb und Marketing ist. Wien und Hamburg wurden ins Visier genommen. Ein bedeutender Teil des Geldes floss in die Software, die aus der üblichen Programmiersprache PHP bestand – eine ungeeignete Voraussetzung für eine Anwendung, an der stetig gearbeitet wird. „Unsere ursprüngliche Plattform war wie ein Tetrisspiel. Jedes Feature wurde einfach nur ’runtergehackt und wenn du etwas Neues einbauen wolltest, konnte es sein, dass woanders etwas kaputt ging“, erinnert sich Stefan Michaelis. Also ran an „Ruby on Rails“ – wohl wissend, dass Ingenieure, die diese effiziente, aber unübliche Programmiersprache beherrschen, gefragt und teuer sind. Mit Mihai Gabriel Muntenas gewann Jonny Fresh jedoch einen erfahrenen technischen Direktor. Er hatte bereits bei verschiedenen internationalen Start-ups mitgewirkt und war der Herausforderung, etwas derartig Komplexes von Grund auf neu zu entwickeln, gewachsen. Für all das, fasst Michaelis grinsend zusammen, „war der Herr Engelhardt da. Um wohlwollend zu gucken und dem Ganzen eine Chance zu geben“.
Stefan Michaelis hat seit seinem 21. Lebensjahr drei Unternehmen gegründet; Jonny Fresh ist das vierte. Er weiß, wie man Teams aufbaut, Strukturen setzt und expandiert. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, schätzt er Engelhardt Kaupp Kiefer als Sparringpartner auf Augenhöhe. Durch die monatlichen Strategiegespräche bleiben die Gesellschafter stets fokussiert und verrennen sich nicht. „Man ist schon sein eigener Chef, aber es hilft, wenn es einen Miteigentümer gibt, der fragt: ‚Was ist los, Jungs?‘ Dann willst du halt auch liefern.“ Für Michaelis ist dies ein stimmiger Weg, um sein Ziel zu erreichen, „in einer Branche, die oldschool und staubig ist, ein geiles Unternehmen aufzubauen“.